J. R. Collins u.a. (Hrsg.): Summer Farms

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Titel
Summer Farms. Seasonal Exploitation of the Uplands from Prehistory to the Present


Herausgeber
Collins, John R.; Mark, Pearce; Franco, Nicolis
Reihe
Sheffield archaeological monographs 16
Erschienen
Sheffield 2016: Equinox
Anzahl Seiten
247S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Thomas Reitmaier

Unter dem Titel «Summer farms» vereint der englische Sammelband insgesamt 13 wissenschaftliche Artikel, die sich allesamt den unterschiedlichen Formen saisonaler Weidenutzung und der damit verbundenen temporären Erschliessung höher gelegener Gebiete widmen. Diese, in früherer Zeit traditionell eher von der Ethnologie und Anthropologie untersuchte Thematik hat in den letzten Jahren vielerorts verstärkt das Interesse der Archäologie geweckt. «Summer farms» im Sinne von Alp/Alm, malga, buron, hafod, shieling, Salaš oder Seter waren daher das verbindende Leitmotiv für zwei Sessions an den Jahreskonferenzen der European Association of Archaeologists in Oslo (2011) und Helsinki 2012, aus denen im Weiteren vorliegende Publikation hervorging. Obwohl wie so häufig nicht alle Beiträge der beiden Tagungen als ausgearbeitete Artikel vertreten sind, erlauben die reich bebilderten und bestens lektorierten Fallstudien ohne Zweifel einen guten Einblick in das weite Feld vertikaler mobiler Viehzucht und den aus ihr hervorgegangenen kulturellen Ausprägungen von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. Der geografische Schwerpunkt liegt auf dem (mittel )europäischen Raum und hier — auch forschungsbedingt — vor allem in den französischen und italienischen Alpen, wo die Viehwirtschaft und sommerliche Beweidung der Berggebiete erwiesenermassen eine Jahrtausende alte Tradition und bis heute wirksame zentrale Bedeutung für die lokale Kultur, Wirtschaft und Identität hat. Weitere Beispiele aus dem Kaukasus, aus der Tschechischen Republik, aus der Schweiz, aus Spanien sowie aus Island erweitern den Betrachtungsraum, der sich im Grunde zu einer vergleichenden archäologischen Studie aus globaler Perspektive (Naher und Mittlerer Osten, Himalaya, Nordafrika, Südamerika etc.) ausbauen liesse. In der ebenso prägnanten wie durch eigene Erinnerungen unterhaltsamen Einführung des sich selbst so bezeichnenden «lowland archaeologist» J. Collis werden die wichtigsten, für alle nachfolgenden Untersuchungen gültigen Themen und methodischen Zugänge aufgeführt, die von einer oft heiklen Differenzierung permanenter und saisonaler Besiedlung über wirtschaftliche Aktivitäten (Jagd, Viehzucht, Bergbau, sekundäre Produkte) und der zugehörigen, regelhaft unscheinbaren materiellen Kultur bis zur Frage nach den tatsächlichen Akteuren (Hirten, Geschlechterrollen etc.) und der einstigen Dimension von Subsistenz und Handel reichen. Zu Recht verbindet Collis dabei die deutliche Zunahme (ethno )archäologischer Studien und die fortlaufende Integration innovativer Disziplinen (LIDAR, GIS, Geoarchäologie) in den letzten Jahren ursächlich mit dem überall, insbesondere aber in höher gelegenen Marginalräumen, zu beobachtenden zeitgleichen Niedergang traditioneller Wirtschaftsweisen. Die technologischen und ökonomischen Veränderungen führten — auch in der Schweiz — insbesondere in der 2. H. 20. Jh. zu einem raschen Verschwinden von «Summer farms». Mit dem Aussterben der letzten Vertreter aus diesem bäuerlichen Milieu gingen gleichzeitig wichtige Zeugen, Traditionen und Erinnerungen an eine weitgehend spurlos untergegangene Welt verloren. Die Geschichte der vorindustriellen Land(wirt)schaften im alpinen Bereich zu rekonstruieren, ist deshalb innerhalb weniger Generation auch zur Aufgabe der Archäologie geworden. Ein solcher Forschungsauftrag ist insofern dringlich, als die saisonale Nutzung des Hochlandes bekanntlich kein ersatzloses Ende gefunden hat, sondern im Gegenteil seit einigen Jahrzehnten von Formen überlagert wird, die weitaus dramatischer in die betreffenden Gebiete eingreifen. So führte die technische Erschliessung der Alpen insbesondere durch den winterlichen Skitourismus zu einer nochmaligen, starken Transformation des temporär besetzten Raumes, in dem die unscheinbaren Spuren älterer Nutzungen mitunter kaum mehr sichtbar sind. Allerdings wird die fortschreitende Klimaveränderung in naher Zukunft hier postmoderne Ruinenlandschaften schaffen, die gewiss ebenfalls zum wissenschaftlichen Forschungsfeld einer «seasonal exploitation of the uplands» werden.

Zitierweise:
Thomas Reitmaier: Rezension zu: John R. Collins/Mark Pearce/Franco Nicolis (eds.) Summer Farms. Seasonal Exploitation of the Uplands from Prehistory to the Present. Sheffield archaeological monographs 16. Sheffield 2016. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 100, 2017, S. 305.

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Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 100, 2017, S. 305.

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